RENÉ GROEBLI – EARLY WORK
Zürich - Von März bis Mai 2016
Wer ist René Groebli? Er ist ein blinder Fleck. Vielleicht DER «Missing Link» in der Geschichte der modernen Schweizer Fotografie.
Als erster auf ihn aufmerksam wurde der amerikanische Fotograf und Kurator Edward Steichen. Der Visionär Steichen, der Ende der vierziger Jahre im New Yorker Museum of Modern Art die weltweit erste Abteilung für Fotografie eingerichtet hatte. Er erwarb für seine Museumssammlung Groeblis Bild-Poem «Das Auge der Liebe». Er wählte den Schweizer Groebli auch für seine monumentale MoMA-Ausstellung «The Family of Man» (1955), den Versuch eines umfassenden Menschheits-Porträts, das bis heute um die Welt reist. Steichens Nachfolger John Szarkowski wiederum integrierte Groebli in seine Ausstellung «The Photographer’s Eye» (1964) und wies ihm in der gleichnamigen Publikation einen besonderen Platz zu.
In Deutschland war es Otto Steinert, der Groeblis Potential erkannte. Der renommierte Nachkriegsfotograf, Professor an der Werkkunstschule Saarbrücken, und Mitglied der avantgardistischen Gruppe «fotoform», zeigte die Bewegungsbilder des Schweizers in den Ausstellungen «subjektive fotografie» (1951/1954). Die Tanzenden im Zürcher Tresterclub (1947) verkörperten für Steinert die visionären Möglichkeiten des Mediums, den State oft the Art progressiver Fotografie. Denn das ist ja das Typische an diesem Künstler: Er ist ein Künstler in Bewegung. Bewegung ist seine innere Natur. Deshalb hat er die Entwicklung seiner Kunst nie linear vollzogen, nie das Einzelbild als statische Ikone verstanden. Im Gegenteil, er denkt das Medium zentrifugal von seiner Mitte aus. Und diese Mitte meint Bewegung, ist Dynamik. Es ist die Urform von Kreativität.
René Groebli ist das fehlende Bindeglied der Schweizer Fotogeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er vereint das Romantische in der Fotografie mit dem Visionären des Technikers, des Modernisten. Seine entscheidenden Publikationen sind Jahre früher entstanden als jene von Robert Frank. In der Kraft ist er ihm ebenbürtig, in der Wirkung ist Groeblis Werk erst zu entdecken. Mit Überraschungen ist zu rechnen.
Daniele Muscionico, 2015 (Auszug aus dem Text «Der freihändige Fotograf», erschienen im Buch «René Groebli – Early Work (1945 - 1955)», Verlag Sturm und Drang, 2015
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